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Sächsischer Bürgerpreis für Ruth Zacharias

 


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Die Villa "Storchennest", der Sitz des "Taubblindendienst e.V." in Radeberg. Hier sind Gästezimmer und Aufenthaltsräume, die Küche sowie die Verwaltung untergebracht.

Der "Spatzenhof" soll saniert und zu einer Tages- und Begegnungsstätte für taubblinde Menschen in Sachsen werden. Dafür bestimmte Ruth Zacharias ihr Preisgeld und ruft zu weiteren Spenden auf.


Preisverleihung

Ruth Zacharias, Initiatorin und Geschäftsführerin der Begegnungsstätte "Storchennest", hat am 20. Oktober 2011 aus den Händen von Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich den "Sächsischen Bürgerpreis" bekommen. Geehrt wird die selbst blinde Preisträgerin für ihren langjährigen Einsatz beim Aufbau dieser Begegnungsstätte für taubblinde und mehrfach behinderte Blinde. Dieser Preis, in diesem Jahr zum ersten Mal verliehen, soll Menschen und ihr Eintreten für eine demokratische Gesellschaft in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rücken und sie für ihre hervorragende und beispielgebende Arbeit auszeichnen.

Gemeinsam mit der Stiftung Frauenkirche Dresden und der Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank verleiht der Freistaat Sachsen den "Sächsischen Bürgerpreis" in den Kategorien gesellschaftlich-soziales Engagement und kulturell-geistliches Engagement in Höhe von je 5.000 Euro. Die Preisverleihung fand in der Unterkirche der Dresdner Frauenkirche, die zu einem Wahrzeichen für Toleranz und ein friedvolles Miteinander geworden ist, statt.

Ruth Zacharias hat die Möglichkeit einer kurzen Rede dazu genutzt, um ihr Preisgeld ihrem nächsten großen Vorhaben zu widmen und gleichzeitig andere zu Spenden dafür zu aufzurufen: Der "Spatzenhof", das ehemalige Wirtschaftsgebäude auf dem Geländes des "Storchennestes", soll saniert werden, um hier eine Tages- und Begegnungsstätte für taubblinde Menschen in Sachsen, speziell für Beschäftigung, Bildung und Freizeit, entstehen zu lassen.


Die Rede von Ruth Zacharias anlässlich der Preisverleihung am 20.10.2011

"Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Damen und Herren,
Thema meines Lebens sind taubblinde Menschen. Fast 50 Jahre darf ich für sie tätig sein; die längste Zeit davon als Pastorin.
Immer hat mich bewegt, mit dem, was ich tue, taubblinden Menschen die Liebe Gottes nahe zu bringen und verstehbar zu machen, ein schwerer Auftrag angesichts der Behinderung mit den komplexen Auswirkungen auf das Leben jedes Einzelnen: 80 % werden vom Leben insgesamt nicht wahrgenommen; immer ist es ein Leben "aus zweiter Hand", weil Augen und Ohren für die Kommunikation weitgehend oder gar nicht in Funktion sind.
Dennoch haben wir im Laufe der Jahrzehnte viel tun können. Entstanden ist in Radeberg ein Lebenswerk, wie mir immer wieder gesagt wird, begonnen 1989 mit einer Ruine und einem Dschungel. Inzwischen sind zwei Ruinen saniert, zwei neue Häuser gebaut. Aus den Dschungeln ist der Botanische Blindengarten mit einer Größe von 20.000 qm entstanden.
Jede Ehrung und Auszeichnung eine Freude, aber zugleich eine neue Verpflichtung und Last.

Es gibt immer noch eine Ruine im Storchennestgelände und große Flächen, die mehr als Acker wirken als Botanischer Blindengarten, und das zu meinem großen Kummer im Eingangsbereich, mit dem jeder Besucher begrüßt wird.
Die Ruine ist das alte Wirtschaftsgebäude der Villa.

Wir nennen dieses Gebäude Spatzenhof (Spatzen nisten auch gerne in Storchennestern), aber entscheidend hat uns Matthäus 6, 33 bewegt, auch ein Thema in meinem Leben seit meiner Konfirmation: Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch alles andere zufallen. In diesem Kapitel ist dann auch von den Lilien und Vögeln die Rede, die Gott so wunderbar ausgestattet hat und reichlich versorgt.
Ich kenne aus meinem Dienst und Leben diese Wahrheit und diese Realität. Aus Dankbarkeit dafür will ich die 5.000 Euro, die mir mit dem Preis zugefallen sind, für die Sanierung des Spatzenhofes spenden, ein Projekt mit mindestens 1,5 Millionen Euro, und wenn für unsere 50 duftenden Kamelien auch noch etwas Schönes, ein Kamelienhaus, entstehen soll, dann sind noch mehr Euro notwendig. Vorhanden sind zurzeit 860.000 Euro durch eine Förderung vom Freistaat, der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Aktion Mensch.
Entstehen soll im Spatzenhof eine Tages- und Begegnungsstätte für taubblinde Menschen in Sachsen, speziell für Beschäftigung, Bildung und Freizeit. Entstehen sollen aber auch mehr Möglichkeiten zur Erholung und Freude aller Besucher im Botanischen Blindengarten.
Mit meiner Spende will ich ein Zeichen setzen und Bürger in Sachsen aufrufen, sich an meine Seite zu stellen, sich mit meinem Preis auch geehrt zu wissen.

Einhundert- bis zweihunderttausend Sachsen – jeder fünf Euro oder mehr – keiner wäre dabei überfordert.
Kontonummer: 169 550 00 13 Bankleitzahl: 350 601 90 Bank für Kirche und Diakonie – LkG Sachsen Kennwort: "Spatzenhof"
Baubeginn März 2012 ...

Eine wichtige Erfahrung in meinem Leben ist die: Je mehr ich an Kraft, Zeit und Geld verschenkt und zur Verfügung gestellt habe, umso mehr Freude und Frieden sind in mein Leben gekommen.

Dank für die Auszeichnung, aber zuerst und vor allem Gott alle Ehre über dem, was er mit unserem unvollkommenem Tun und mit unseren schwachen Kräften an Segnungen sichtbar werden lässt.

Der Bürgerpreis hat auch gesellschaftliche Verdienste zum Inhalt, und so rüttelt mich diese Ehrung noch einmal zum vollen Einsatz auf, dafür zu streiten, dass Taubblindheit endlich auch in Deutschland, in Sachsen als eigene Form der Behinderung anerkannt wird . Offiziell gibt's immer noch keine taubblinden Bürger unter uns, und das ist es, was uns gemeinsam aufgetragen bleibt: das zu ändern!"

[Grafik: ruth]