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Fachtagung "Taubblinden-Wohnen"

"Storchennest"

28. April 2007 Fachtagung "Taubblinden-Wohnen"
29. April 2007 Tag der offenen Tür

Ursula Benard und ich erhielten eine Einladung, die wir gerne annahmen. Gemeinsam machten wir uns auf die zehnstündige Fahrt nach Dresden-Neustadt. Dort erwartete uns Frau Lehmann, die zuverlässige rechte Hand von Frau Zacharias, und brachte uns mit dem Kleinbus nach Radeberg. War die Luft in Dresden durch den Berufsverkehr noch voller Abgase und dem Gestank einer großen Stadt, wurden wir am Zielort von den Gerüchen des "Duftenden Gartens" überwältigt. Der Blindengarten war eine Oase der Düfte, der Ruhe, der Harmonie. Es roch nach Blumen, Sträuchern, Bäumen, Gräsern, nach gesunder Natur. Ich wohne in einem kleinen Dorf in der Eifel und bin gute Luft und Düfte gewöhnt, doch diese Vielfalt im Botanischen Garten bei Frau Zacharias habe ich noch nicht erlebt.

Früh am nächsten Morgen zog es mich wieder nach draußen. An den Handläufen entlang, die mit Blindenschrift versehen sind, entdeckte ich Hochbeete. Jede Pflanze war mit Tafeln in Schwarz- und Blindenschrift bestückt. Es gab unterwegs Figuren aus Bronze, wie z.B. ein Murmeltier, wie man am Handlauf gut lesen konnte. Ich war so vertieft, daß ich zuerst erschrak, als neben mir ein Hahn ein fröhliches "Guten-Morgen-Kikeriki" krähte. Nach diesem Spaziergang ging es dann zum Tagesprogramm.

Frau Zacharias, selbst blind, hat in jahrzehtelangem Einsatz für taubblinde Menshcen viel kämpfen müssen, aber auch sehr viel erreicht. Nun beabsichtigt sie in unmittelbarer Nähe des "Storchennestes" betreutes Wohnen für taubblinde Menschen zu ermöglichen.

Es waren Gäste aus ganz Deutschland gekommen: Vertreter großer Einrichtungen für taubblinde Menschen, Vertreter von Selbsthilfegruppen und, natürlich besonders wichtig, Vertreter der Landesregierung Sachsen. Bei der Fachtagung ging es um den Austausch von Ideen und darum, was machbar und notwendig ist, und natürlich auch: Was kann man finanziell durchsetzen. Es wurde von allen Gesprächsteilnehmern betont, wie wichtig eine neue Form des Wohnens für Taubblinde ist. Es muß möglich gemacht werden, daß taubblinde Menschen selbstbestimmt und selbständig in ihren eigenen vier Wänden leben können. Das ist nur möglich, wenn genug Assistenzkräfte (Begleitung und Hilfe im Alltag) zur Verfügung stehen.

Frau Zacharias hat ein Wohnhaus in der unmittelbaren Nähe des "Storchennestes" taubblindengerecht umbauen lassen und bald bekommt die erste Familie mit ihrem Sohn dort ihr neues Zuhause.

Die Landesregierung Sachsen unterstützt das Projekt. Das Land Sachsen wird auch einen Antrag stellen für ein neues Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis: "tbl" für Taubblindheit. Das wird höchste Zeit. Es ist schon drei Jahre her, daß das Europäische Parlament Taubblindheit als eine Behinderung eigener Art anerkannt hat.

Der Sonntag, der "Tag der offenen Tür" begann mit einem Gottesdienst in einer kleinen Kirche im Nachbarort. 420 Besucher kamen ins "Storchennest". Viele von ihnen wußten vorher nichts von taubblinden Menschen und waren beeindruckt, wie man mit dieser Behinderung sein Leben meistern kann. Andy Pour und Ullrich Schult, beide selbst betroffen, beantworteten in einer Frage- und Antwortstunde die interessierten Fragen der Besucher.

Noch etwas Wichtiges stand auf dem Programm, eine neue Usher-Gruppe Sachsen soll gegründet werden. Taubblinde und Usher-Betroffene setzten sich unter der Leitung von Manuela Müller und Herrn Fourestier zusammen, überlegten und besprachen, wie diese neue Gruppe heißen soll und machten die nächsten Termine aus. Irmtraud Sieland, selbst Leiterin der SHG-Gruppe in Thüringen, versprach ihre Unterstützung und war mit Ratschlägen dabei.

Ich habe ein Wochenende auf einem wunderschönen Fleckchen Erde verbracht, habe viel dazu gelernt und obendrein mit Frau Zacharias, Frau Lehmann, Frau Müller und dem ganzen Team wundervolle Menschen kennengelernt: Menschen, deren Herzen für die Taubblinden schlagen. Dafür bin ich sehr dankbar.

Lilo Binzenbach (taubblind)